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Die verhaltenssteuernde Wirkung des D&O-Pflichtselbstbehalts gem. § 93 Abs.2 S.3 AktG

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Die verhaltenssteuernde Wirkung des
D&O-Pflichtselbstbehalts gemäß § 93 Abs. 2 S. 3 AktG

Thesen des Vortrages von Frau  Dr. Julia-Rebecca Koch, Kleist Versicherungsmakler , Münster auf dem 2. Düsseldorfer Versicherungsrechtstag im Industrieclub Düsseldorf

Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) ergänzt den § 93 Abs. 2 des Aktiengesetzes um einen dritten Satz zum Versicherungsschutz für Vorstände für Risiken aus Ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft. § 93 Abs. 2 AktG enthält eine Haftungsgrundlage für Vorstandsmitglieder, die die Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmanns außer Acht lassen und Pflichten verletzen. Der Vorstand hat sich in diesem Fall gegenüber der eigenen Aktiengesellschaft zu verantworten.

Dieses persönliche Haftungsrisiko der Vorstandsmitglieder wird in Deutschland seit etwa 15 Jahren mit sogenannten D&O-Versicherungen gedeckt. Die Kosten für diese Versicherung trägt das Unternehmen – aus folgenden Gründen:

Das Unternehmen schafft sich Vollstreckungsmasse. Auch bei angemessener Vergütung gibt es aus Sicht des Unternehmens das Risiko, dass der Vorstand durch eine Management-Pflichtverletzung einen größeren Schaden verursacht, als dieser wirtschaftlich in der Lage ist aus seinem Privatvermögen auszugleichen.

Das global ausgerichtete Unternehmen kann mit der Haftpflichtversicherung für die Unternehmensleiter Risiken begegnen, die mit der Ausrichtung in andere Rechtskreise verbunden sind, in denen es leichter zum Anspruch gegen Geschäftsleiter kommen kann. Beispielsweise ist im anglo-amerikanischen Rechtsraum die Inanspruchnahme des Managements selbst durch Dritte sehr viel leichter möglich – als Korrektiv enthält die dortige Rechtssystematik die Möglichkeit der Enthaftung oder des „Company Reimbursements“, die aber das deutsche Recht so nicht kennt.

In die D&O-Versicherung, die ihrem Wesen nach eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung (§§ 43 f. VVG) ist, greift nunmehr der Gesetzgeber mit einer neuen Vorschrift ein:

„Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der jährlichen festen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.“

Dazu führt der Gesetzgeber aus, dass die Neuregelung die Pflicht aus § 76 Abs. 1 AktG, ein Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu leiten, flankiere. Die Regelung habe verhaltenssteuernde Wirkung. Die Haftung mit dem Privatvermögen wirke Pflichtverletzungen präventiv entgegen.

Die grundsätzliche Intention des gesamten Gesetzes ist nicht falsch. Der Pflichtselbstbehalt in der D&O-Versicherung ist allerdings nicht geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, da er das Verhalten von Unternehmensleitern in Aktiengesellschaften nicht beeinflussen kann.

Dass sich aus Haftung grundsätzlich auch verhaltenssteuernde Wirkung ergibt, ist unstreitig. Die Haftung des Organmitglieds ergibt sich bereits aus § 93 Abs. 2 AktG. Die Haftung ist sehr scharf – eine der schärfsten der Welt. Vorstandsmitglieder haften für jeden Grad des Verschuldens und nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG liegt die Beweislast für die Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bei den Vorstandsmitgliedern.

Die These, dass der Selbstbehalt verhaltenssteuernd wirkt, impliziert nun aber, dass der Abschluss einer D&O-Versicherung sich entlastend auf das Verhalten des Vorstands auswirke. Diese These stimmt nur dann, wenn die D&O-Versicherung das scharfe Haftungsschwert, welches gegen das Organmitglied gerichtet ist, abstumpft oder vollständig abwehrt. Die Deckung müsste jede Art von Haftung in jeder Größenordnung kompensieren.

Unseres Erachtens darf bezweifelt werden, dass Vorstände im Vertrauen auf ihre D&O-Versicherung anders handeln, als sie ohne Versicherungsschutz gehandelt hätten. Die Vorstellung, dass Versicherungsnehmer im Vertrauen auf die Haftpflichtversicherung sorglos sind, ist unzutreffend.

Wir lassen uns von Ärzten operieren und von Anwälten beraten, die – hoffentlich – haftpflichtversichert sind. Und niemand glaubt, dass sie im Vertrauen auf ihre Haftpflichtversicherung ihren Job weniger sorgsam erledigen.

Sorglosigkeit im Vertrauen auf einen Haftpflichtversicherungsschutz oder konkret auf eine D&O-Deckung kann aus vielfältigen Gründen nicht angenommen werden:

Die Leistung der Haftpflichtversicherung ist in ihrer Höhe immer auf die Versicherungssumme beschränkt, die Haftung für Managementpflichtverletzungen ist in ihrer Höhe dagegen unbeschränkt und kann deutlich über die Versicherungssumme hinausgehen.

Ferner decken D&O-Versicherungen auch bei ausreichender Versicherungssumme nicht jeden Schaden ab – niemals versichert ist etwa die wissentliche Pflichtverletzung. Im Umkehrschluss: Die D&O hilft nur dann, wenn Pflichtverletzungen unwissentlich begangen werden.

Insofern kann jemand, der es nicht besser weiß, nicht von einem Selbstbehalt beeinflusst werden. Diese These hatte auch Prof. Hirte in seiner Stellungnahme zum Rechtsausschuss des Bundestages vorgetragen – leider ohne den gewünschten Erfolg.

Darüber hinaus kann es individuelle Ausschlüsse für besondere Risikoexponierungen geben: Beispielsweise wollen die überwiegenden D&O-Anbieter für Banken nicht das Risiko fehlerhafter Kreditvergabe versichern.

Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass in den Vorstandsetagen gemeinhin bekannt ist, dass in der Vergangenheit bereits D&O-Versicherungsverträge erfolgreich angefochten wurden und sich auch daher das uneingeschränkte Vertrauen in die Deckung verbietet.

Wenn nun also die D&O-Versicherung nicht geeignet ist, sich auf das Verhalten des Vorstands auszuwirken, kann auch der Selbstbehalt nicht verhaltenssteuernd wirken.

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