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Änderung der BGH-Rechtsprechung in Bezug auf den Mindestrückkaufswert?

§ 169 Abs. 3 VVG sieht grundsätzlich das Deckungskapital einer Versicherung, ermittelt mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation zum Schluss der laufenden Versicherungsperiode, als Rückkaufswert vor. Für die Fälle des Frühstorno schreibt § 169 Abs. 3 VVG eine Verteilung der Abschlusskosten auf fünf Jahre und eine Beachtung der Höchstzillmersätze vor. Damit hat der VVG-Reformgesetzgeber für Versicherungsverträge ab 2008 einen transparenten Rückkaufswert definiert und in den Fällen des Frühstorno einen Mindestrückkaufswert vorgesehen  (Krause in: Looschelders/Pohlmann, VVG, § 169 Rn. 5.).

Problematischer ist die Handhabung eines Rückkaufswertes im Falle einer Kündigung von einem sog. Altvertrag.  Anstatt § 169 VVG 2008 ist auf diesen Vertrag weiterhin § 176 VVG a.F. in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung anzuwenden (Krause in: Looschelders/Pohlmann, VVG, § 169 Rn. 6.). § 176 VVG a.F. 1994 sieht vor, dass der Rückkaufswert nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert der Versicherung zu berechnen ist. Danach ist ein durch die Zillmerung reduzierter Rückkaufswert von  0 € theoretisch möglich. Allerdings erklärte der BGH (Urt. v. 09.05.2001 – IV ZR 121/00, BGH NJW 2001, 2014; Urt. v.  12. 10. 2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559) mehrere Klauseln zur Behandlung von Abschlusskosten in Fällen des Frühstorno für unwirksam. Dabei beanstandete der BGH aber ausschließlich die fehlende Transparenz derartiger Klauseln. Ein Abweichen von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung in unangemessener Weise verneinte er (BGH NJW 2001, 2014, 2017; BGH NJW 2005, 3559, 3565 f.).

Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auch auf Verträge anwendbar ist, die ab etwa Mitte 2001 bis Ende 2007 abgeschlossen worden sind. Dagegen spricht jedoch, dass die der Rechtsprechung angepassten Regelungen zu den Rückkaufswerten nicht mehr intransparent sein dürften (Krause in: Looschelders/Pohlmann, VVG, § 169 Rn. 40.).

Dementsprechend scheint sich nunmehr ein Umdenken des Bundesgerichtshofes hinsichtlich der materiellen Wirksamkeit von Klauseln zu den Rückkaufswerten abzuzeichnen. Jüngst hat der BGH im Rahmen einer Revisionsverhandlung (Pressemitteilung des BGH zu AZ: IV ZR 147/09) darauf hingewiesen, dass die Frage der Transparenz irrelevant sein könne. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 – 1 BvR 1317/96 (BVerfG NJW 2006, 1783) könne folgen, dass ein Rückkaufswert, der in den ersten Jahren bei null oder nur wenig darüber liegt, verfassungswidrig ist und daher einer materiellen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhält (so jetzt § 169 Abs. 3 VVG 2008).

Ingo Weckmann, LL.M.

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