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Zur versicherungsrechtlichen Behandlung von Kurzzeitkennzeichen

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BGH, Urteil vom 11.11.2015 – IV ZR 429/14

In seinem Urteil vom 11. November 2015 (Az. IV ZR 429/14) hat der BGH sich mit der Frage befasst, ob der Schutz einer für ein Fahrzeug mit einem Kurzzeitkennzeichen abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherung sich auf die Fahrzeuge der im Versicherungsschein namentlich benannten Personen beschränkt.

Konkret ging es dabei um einen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag, durch den die Beklagte zu 4. als Versicherer (im Folgenden: VR) dem Versicherungsnehmer (im Folgenden: VN) Versicherungsschutz gewährte. Nach den AKB des VR wurde dem Halter des Fahrzeugs als mitversicherter Person gleichfalls Versicherungsschutz gewährt. In dem Versicherungsschein war eine von dem VN abweichende Person als Halter eingetragen (im Folgenden: eingetragener Halter). Zudem nahm der Versicherungsschein auf ein bestimmtes Kurzzeitkennzeichen (eingetragenes Kurzzeitkennzeichen) Bezug. Das versicherte Fahrzeug war hingegen in dem Versicherungsschein noch nicht vollständig konkretisiert, da der Versicherungsschein in der Rubrik „Fahrzeugdaten“ lediglich die Angabe „universal“ enthielt.

Anfang Oktober 2010 führte der – von dem VN und dem eingetragenen Halter personenverschiedene – Beklagte zu 3. ein Kfz, das mit dem eingetragenen Kurzzeitkennzeichen versehen war. Dabei wurde das Kfz in einen von dem Beklagten zu 3. (mit-)verschuldeten Verkehrsunfall verwickelt. Daraufhin stellte sich die Frage, ob der VR dem durch den Beklagten zu 3. geschädigten Unfallgegner gemäß §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 18 StVG, §§ 1 ff. PflVG Schadensersatz schuldete. Dies hing wiederum davon ab, ob der vom VR gewährte Haftpflichtversicherungsschutz sich auch auf den Beklagten zu 3. erstreckte. Zweifel daran bestanden insoweit, als der Beklagte zu 3. keinen ersichtlichen Bezug zu dem VN oder zu dem eingetragenen Halter hatte. Insbesondere hatte der Beklagte zu 3. das Kfz nicht von dem eingetragenen Halter erworben (ausführliche Angaben zum Sachverhalt finden sich insbesondere in der Entscheidung der Vorinstanz: OLG Stuttgart VersR 2015, 483).

Der BGH verneinte die Einstandspflicht des VR mit der Erwägung, dass das Kfz niemals zu dem Bestand des VN oder des eingetragenen Halters gehörte. Die Kfz-Haftpflichtversicherung für Fahrzeuge mit einem Kurzzeitkennzeichen sei auf bestimmte, im Versicherungsschein bezeichnete, Personen beschränkt (anders OLG Hamm r+s 2013, 325). Nichts anderes ergebe sich aus der zunächst unbestimmten Angabe des versicherten Fahrzeuges im Versicherungsschein, da die insoweit gewählte Bezeichnung „universal“ lediglich zum Ausdruck bringen solle, dass der VN und der Halter bei der nach Versicherungsvertragsschluss vorzunehmenden Auswahl des versicherten Fahrzeuges aus deren Bestand keinen Beschränkungen hinsichtlich der Fahrzeugart unterliegen. Da für die ordnungsgemäße Beschaffung eines Kurzzeitkennzeichens nach dem im entschiedenen Fall maßgeblichen § 16 Abs. 4 FZV a.F. ein konkreter Halter benannt werden müsse, sei die persönliche Beschränkung des Versicherungsschutzes mit dem Zweck der Versicherung vereinbar. Ferner habe der VR ein berechtigtes Interesse daran, den Versicherungsschutz auf solche Personen zu beschränken, die sich das Kurzzeitkennzeichen nicht unter missbräuchlicher und/oder betrügerischer Umgehung des insoweit vorgesehenen behördlichen Verfahrens beschafft haben. Dem berechtigten Interesse des durch den Unfall geschädigten Dritten sei mit der Regelung des § 12 PflVG (Entschädigungsfonds) hinreichend genügt.

Insgesamt liefert der BGH eine dezidierte Begründung für die Beschränkung der Reichweite des Versicherungsschutzes bei Kurzzeitkennzeichen. Durch die Annahme einer persönlichen Begrenzung des Versicherungsschutzes stärkt der BGH vor allem das Interesse des VR, nur für solche VN und Halter einzustehen, die sich das im Versicherungsschein aufgeführte Kurzzeitkennzeichen im Rahmen eines ordnungsgemäßen behördlichen Verfahrens nach der FZV beschafft haben. Der in der Praxis verbreitete Handel mit Kurzzeitkennzeichen unter Privaten ist damit nicht nur mit möglichen straf- und ordnungsrechtlichen Konsequenzen für die Beteiligten (dazu Thiemer, NZV 2009, 587; Blum, Der Missbrauch von Kurzzeitkennzeichen, abrufbar unter: http://www.praxisverkehrsrecht.de/kurzkennzeichen.htm), sondern auch mit versicherungsrechtlichen Nachteilen verbunden. Dazu, ob der mit der Leistungsfreiheit des VR einhergehende Verweis des Unfallgeschädigten auf den Entschädigungsfonds mit den Kfz-Haftplichtversicherungsrichtlinien vereinbar ist, verhält sich der BGH allerdings nicht (zur ähnlichen Fragestellung bei vorsätzlicher Schädigung Looschelders/Michael, in: Enzyklopädie Europarecht, Bd. 5, Europäisches Sektorales Wirtschaftsrecht, 2013, hrsg. von Matthias Ruffert, § 11 [Europäisches Versicherungsrecht] Rn. 237; Looschelders, VersR 2015, 1491, 1493).

Dr. Boris Derkum

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