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BGH: Wirksame Belehrung in AVB erfordert keinen Verweis auf § 28 Abs. 4 VVG

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BGH, Urteil vom 4.4.2018 – IV ZR 104/17

In einem Urteil vom 4. April 2018 (IV ZR 104/17) bezog der BGH zu der derzeit im Versicherungsvertragsrecht präsenten Frage Position, ob eine wirksame Belehrung über die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung auch einen Verweis auf die Hinweispflicht aus § 28 Abs. 4 VVG selbst beinhalten muss.

In der Rechtsfolgenbelehrung für eine Obliegenheitsverletzung ging das Bedingungswerk einer Reiseabbruchversicherung nur auf die Möglichkeit des vollständigen oder teilweisen Verlusts des Versicherungsschutzes nach § 28 Abs. 2 und 3 VVG ein, nicht jedoch auf § 28 Abs. 4 VVG. In Absatz 4 wird die Leistungsfreiheit des Versicherers an die Bedingung geknüpft, dass der Versicherer den VN bei Eintritt des Versicherungsfalles durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

Dass ein Verweis auch auf § 28 Abs. 4 VVG zu einer wirksamen Belehrung gehöre, wird in jüngerer Zeit teilweise von Rechtsprechung und Literatur angenommen (LG Berlin r+s 2017, 344; Pohlmann in Looschelders/Pohlmann, 3. Aufl. 2016, § 28 Rn. 116; Marlow VersR 2017, 1500, 1501 ff.; ders. NJW 2017, 3394 f.; ders. r+s 2015, 591, 592 f.) und mit dem sog. besonderen Transparenzgebot auf Rechtsfolgenseite begründet. Allein durch einen Blick in die AVB solle der VN seine generellen Verteidigungsmöglichkeiten entnehmen können. Wohl überwiegend wird ein solcher „Hinweis auf die Hinweispflicht“ jedoch abgelehnt (jüngst OLG Celle r+s 2018, 132; OLG Hamm r+s 2017, 467; Schreiner r+s 2017, 345 f.).

Unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung hat sich der IV. Senat nun explizit der letztgenannten Ansicht angeschlossen. Dabei betonte er insbesondere, dass eine seiner früheren Entscheidungen vom 2. April 2014 (IV ZR 124/13, VersR 2014, 699), in der er zu den ARB einer Rechtsschutzversicherung urteilte, nicht zugunsten der erstgenannten Ansicht angerechnet werden könne (so aber Marlow VersR 2017, 1500, 1504). Die in diesem Urteil getroffene Aussage „in Abweichung von § 28 Abs. 4 VVG fehle [den Bedingungen] eine Regelung, wonach die Leistungsfreiheit bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Aufklärungsobliegenheit voraussetze, dass der Versicherer den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen habe“, bringe lediglich zum Ausdruck, dass die noch an § 6 Abs. 3 VVG a.F. angelehnte Klausel insgesamt den Vorgaben des § 28 VVG widerspreche.

Seinen Standpunkt begründet der BGH anschließend mit einem Vergleich zu § 186 VVG, dessen Wortlaut im Rahmen der Unfallversicherung ebenfalls keinen gesonderten Hinweis auf ein Belehrungserfordernis in den AVB erfordere. Gewichtiger als dieses Wortlautargument ist jedoch der dann angeführte Zweck der beiden Normen, dem VN verständlich und deutlich zu machen, wozu die Nichtbeachtung der Obliegenheit führen kann (dazu allgemein Wandt in Langheid/Wandt, Bd. 1 2. Aufl. 2016, § 28 Rn. 315).

Während in den vergangenen Monaten in der Versicherungsbranche die Empfehlung vorherrschte, zur Sicherheit einen Hinweis auf § 28 Abs. 4 in AVB aufzunehmen, dürfte die BGH-Entscheidung zur Beseitigung etwaiger Unsicherheiten führen. Da überladene Bedingungswerke nicht zum Verständnis der VN beitragen, ist diese Entwicklung zu begrüßen.

Natalie Post

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