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Das neue Lauterkeitsrecht und die Versicherungswirtschaft

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Das neue Lauterkeitsrecht und die Versicherungswirtschaft

Thesen aus dem Vortrag von Prof. Dr. Oliver Brand, LL.M. Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Privatversicherungsrecht, Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung, Universität Mannheim gehalten auf dem 2. Düsseldorfer Versicherungsrechtstag am 23. Oktober 2009 im Industrieclub Düsseldorf

I. Grundlegung

1. Es gibt ein Sonderlauterkeitsrecht der Versicherungswirtschaft. Dieses zeichnet sich durch drei Besonderheiten aus:

Wettbewerb. Der Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt ist traditionell von Beziehungswettbewerb geprägt. Vor der Deregulierung 1994 herrschte in vielen Sparten daneben lediglich moderater Preiswettbewerb. Auch nach der De-regulierung kommt es zwar zu verstärktem Preiswettbewerb, aber nur in einigen Sparten auch zu einem Konditionenwettbewerb.

Rechtsquellen. Neben das UWG treten Anordnungen der BAFin und Ver-bandsrecht (etwa Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft). Das Verbandsrecht versteht sich als „Konkretisierung des allgemeinen Wettbe-werbsrechts“ für die Versicherungswirtschaft. Tatsächlich handelt es sich um eine wechselseitige Konkretisierung. Im Bereich der Vertriebsmethoden sind die Wettbewerbsrichtlinien lückenhaft.

Ansprüche und Anspruchsteller. Die Verfolgung von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht liegt im Wesentlichen in den Händen der Wettbewerbszentrale. Allerdings ist die informelle Selbstkontrolle innerhalb der Versicherungs-wirtschaft stark. Aufgrund der Verfolgungssituation sind Abmahnung und Un-terlassung die Hauptrechtsbehelfe.

2. Schwerpunkte. Kernvorwürfe auf dem Gebiet des Versicherungswesens sind irreführende Werbung, unlautere vergleichende Werbung, der Einbruch in Vertragsbeziehungen (Kunden und Mitarbeiter), unlautere Testwerbung sowie die Verwendung unlauterer Vertriebsmethoden. Letzterer Bereich gewinnt stark an Bedeutung.

II. UWG-Novelle 2008

3. Die UWG-Novelle von 2008 bringt für die Versicherungswirtschaft – abgesehen von dem gesondert behandelten Problemkreis der Telefonwerbung – drei relevante Änderungen mit sich: einen neuen Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der Unlauterkeit, eine Neuordnung der Generalklausel und eine Neuordnung des Irreführungstatbestands.

4. Geschäftliche Handlung. Der neue Anknüpfungspunkt bringt auch Handlungen nach Vertragsschluss in den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts. Für diesen Bereich hat das neue Merkmal des „Zusammenhangs mit der Förde-rung des Absatzes“, das die Wettbewerbsförderungsabsicht des alten Rechts ersetzt, Begrenzungsfunktion. In der Versicherungswirtschaft sind jetzt auch AVB, die gegen § 307–310 BGB verstoßen, Verstöße gegen § 1–6 VVG-InfoV sowie ein Verstoß gegen § 20 II 2 AGG lauterkeitsrechtlich von Belang.

5. Neuordnung der Generalklausel. Aus der Generalklausel des § 3 I, II UWG wurden die „schwarze Liste“ (Anh. Zu § 3 III UWG) sowie die unzumutbaren Belästigungen nach § 7 UWG ausgegliedert. Für sie gilt insb. die Bagatellklausel des § 3 I UWG nicht. Die „schwarze Liste“ enthält per-se-Verbote. Von diesen sind für die Versicherungswirtschaft die Nr. 1, 7, 10, 26 und 27 – nicht aber Nr. 12 – von besonderer Bedeutung. Die speziell auf die Versicherungswirtschaft zugeschnittene Regel der Nr. 27 dürfte keine besondere praktische Bedeutung erlangen.

6. Neuordnung des Irreführungstatbestands. Der neugefasste und ergänzte Tatbestand des Irreführens durch Unterlassen in § 5a UWG ist ein alternativer lauterkeitsrechtlicher Anknüpfungspunkt etwa für die Verletzung nachvertraglicher Informationspflichten des Versicherers nach § 6 VVG-InfoV

III. Telefonwerbung

7. Der Telefonvertrieb hat durch die UWG-Novelle von 2008 und durch das Gesetz zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung einen neuen lauterkeitsrechtlichen Rahmen bekommen.

8. UWG-Novelle 2008. Die Neuregelung des Lauterkeitsrechts von 2008 beinhaltet zwei wesentliche Erkenntnisse zu § 7 II Nr. 2 UWG. (1) Die unlautere Tele-fonwerbung nach dieser Vorschrift ist jetzt ein per-se-Verbot. (2) Der erste An-ruf ohne Einwilligung des angerufenen Verbrauchers begründet bereits – wie bisher und konform mit der UGP-Richtlinie – den Vorwurf der Unlauterkeit.

9. Gesetz zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung. Zwei weitere Änderungen lauterkeitsrechtlicher Natur bringt die Neuregelung der Telefonwerbung von 2009 mit sich. (1) Die Einwilligung des Angerufenen wird konform mit der Datenschutzrichtlinie 2002 auf eine ausdrückliche beschränkt. (2) Verstöße gegen § 7 II Nr. 2 UWG sind jetzt ordnungswidrig. Eine Bußgeldregel enthält der neue § 20 UWG.

10. Beim Versicherungsvertrieb sind Anrufe nach Zusendung eines Angebots, Anrufe zum Zweck der Vertragsänderung oder -anpassung, zum Zweck des Ab-schlusses weiterer Versicherungen oder zum Zweck der Widergewinnung eines Kunden nach Kündigung oder Widerruf („Nachbearbeitung“) an § 7 II Nr. 2 UWG zu messen. Grenzfälle bilden Hinweise auf Risiken, die bisher nur vermeintlich versichert waren und Anrufe bei Gefahr in Verzug nach der Kündigung eines Versicherungsvertrags, aber vor deren Wirksamkeit.

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