BGH: Die Anerkenntniserklärung in einer Berufsunfähigkeitsversicherung kann rückwirkend für einen abgeschlossenen Zeitraum nicht mit Befristung gemäß § 173 Abs. 2 S. 1 VVG abgegeben werden

BGH, Urteil vom 23.2.2022- IV ZR 101/20 = VersR 2022, 500-503

In seinem Urteil vom 23.2.2022 entschied der IV. Zivilsenat, dass eine Befristung des Anerkenntnisses in der Berufsunfähigkeitsversicherung nach § 173 Abs. 2 S. 1 VVG für einen zurückliegenden Zeitraum unwirksam sei. Hiervon könne auch nicht durch AVB abgewichen werden, da dies eine nachteilige Abweichung gem. § 175 VVG darstelle.

Allerdings stellte der BGH in diesem Urteil fest, dass eine Klausel in der BUV, die ein einmalig zeitlich begrenztes Anerkenntnis bis zu zwölf Monaten in Textform erlaubt, nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verstoße, sofern ein begründeter Einzelfall vorliege. Das gelte auch, wenn nach der jeweiligen BUV eine Berufsunfähigkeit schon nach einem kürzeren Prognose- oder Erkrankungszeitraum vorliegen könne.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt forderte eine medizinische Fachangestellte von ihrer BUV Zahlung von Versicherungsleistungen und Beitragsrückzahlungen in Höhe von rund 40.000 €. Grund hierfür war ein Bandscheibenvorfall Anfang 2013. Nachdem der Versicherer nur eine vom 1.7.2015 bis 29.2.2016 bestehende Berufsunfähigkeit bestätigte und für diesen Zeitraum befristet leistete, klagte die Versicherungsnehmerin vor dem LG Potsdam auf weitergehende Versicherungsleistungen. Hierzu führte die Klägerin an, dass ein befristetes Anerkenntnis für einen zurückliegenden abgeschlossenen Zeitraum nicht möglich sei und die Leistungsfreiheit des Versicherers mithin erst durch ein Nachprüfungsverfahren erreicht werden könne. Entgegen der Vorinstanzen (LG Potsdam, Urteil vom 19.6.2019 – 2 O 90/18 und OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.3.2020 – 11 U 106/19) bestätigte der BGH dies und wies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Hiermit entschied der BGH die in Literatur und Rechtsprechung thematisierte Streitfrage, ob ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis in der BUV zulässig sei. Diese Frage ist insbesondere deshalb praktisch hochrelevant, weil bei einem befristeten Anerkenntnis nach Ablauf der Frist die Beweislast beim Versicherungsnehmer, jedoch bei einem unbefristeten Anerkenntnis die Beweislast für die Leistungsfreiheit beim Versicherer liegt (vgl. Lücke,in: Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage, § 174, Rn. 2).

Für die Möglichkeit zur Befristung eines rückwirkenden Anerkenntnisses sei anzuführen, dass das bedingungsgemäße Nachprüfungsverfahren nicht unterlaufen werden könne (Neuhaus, in: Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum VVG, 4. Auflage, § 173, Rn. 27). Insbesondere wenn der Versicherungsnehmer schon vor dem Anerkenntnis wieder berufsfähig sei, fehle es an dessen Schutzwürdigkeit. Würde der Versicherer dennoch rückwirkend nur ein unbefristetes Anerkenntnis aussprechen können, so stünde er vor der großen Hürde des Nachprüfungsverfahrens, das mit der Beweislastumkehr und den hohen formellen Anforderungen an die Einstellungsmitteilung einherginge. Zudem würden dadurch auch die Versicherungsnehmer geschützt, die sich zum Zwecke der Erlangung eines unbefristeten Anerkenntnisses bewusst erst gegen Ende der Berufsunfähigkeit beim Versicherer melden (OLG Bamberg, Beschluss vom 30.6.2021 – 1 U 493/20, Rn. 11; OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.3.2020 – 11 U 106/19; Klenk, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Auflage, § 173, Rn. 13).

Jedoch spreche gegen die Möglichkeit des rückwirkend befristeten Anerkenntnisses, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Möglichkeit zur Befristung eines Anerkenntnisses gem. § 173 Abs. 2 S. 1 VVG bestehe, um in zweifelhaften Fällen bis zu einer abschließenden Klärung zunächst eine befristete Leistungspflicht zu ermöglichen (BT-Drucks. 16/3945 S. 106). Liege der Sachverhalt in der Vergangenheit und sei die Prüfung der Berufsfähigkeit schon abgeschlossen, so bestünde keine Unsicherheit über die Leistungspflicht des Versicherers. Mithin läge dann kein zweifelhafter Fall vor. Zudem zeige der Zusammenhang mit § 173 Abs. 2 S. 2 VVG, dass das befristete Anerkenntnis ausschließlich auf die Zukunft gerichtet sei, denn dessen Schutzzweck, dass ein befristetes Anerkenntnis nicht während seiner Dauer zulasten des Versicherungsnehmers aufgehoben werden kann, betone die Zukunftsgerichtetheit des Anerkenntnisses. Zudem sei zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Lohnersatzfunktion der Leistungen besonders schutzwürdig sei und somit der § 173 Abs. 2 VVG nur restriktiv Anwendung finden solle (vgl. Lücke,in: Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage, § 173, Rn. 17). Zuletzt seien auch die Interessen des Versicherers hinreichend berücksichtigt, da ein (unbefristetes) Anerkenntnis mit einer Nachprüfungsentscheidung verbunden werden könne, wenn die Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits wieder entfallen sei (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.1997 – IV ZR 6/97).

Aus diesen Gründen sprach sich der BGH gegen die Zulässigkeit eines rückwirkenden befristeten Anerkenntnisses aus. Für die Beklagte bedeutete dies im zugrundeliegenden Sachverhalt, dass ihre Zahlungseinstellung zum 29.2.2016 unwirksam war. Vor Beendigung der Leistungspflicht hätte die Beklagte die Berufsunfähigkeit der Klägerin im Wege des Nachprüfungsverfahrens prüfen müssen. Die zur Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erforderliche Mitteilung, dass die Leistungspflicht wieder enden solle (sog. Änderungsmitteilung), vgl. § 174 Abs. 1 VVG, hatte die Beklagte wegen ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung allerdings unterlassen. Jedoch können bei einem in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt Anerkenntnis und Nachprüfungsentscheidung miteinander verbunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.1997 – IV ZR 6/97 = VersR 1998, 173). So konnte vorliegend die unwirksame Befristung des Anerkenntnisses in eine Änderungsmitteilung des Versicherers gem. § 140 BGB umgedeutet werden und seine Leistungspflicht endete gem. § 174 Abs. 2 VVG drei Monate nach Zugang der Mitteilung.

Der BGH überzeugte mit seiner Argumentation. Durch seine umfassende Auseinandersetzung mit dem Streitgegenstand und die durchdachte Entkräftung aller gängigen Argumente, die für die Zulässigkeit einer rückwirkenden befristeten Anerkennung sprechen, wird es schwer sein, nach diesem Urteil noch eine andere Auffassung zu vertreten.

Für die Versicherungsnehmer wurde durch dieses Urteil ein weiter zeitlicher Rahmen geschaffen, um die Berufsunfähigkeit beim Versicherer zu melden. Hierbei sollte der Zeitraum aber trotz des neuen Urteils nicht zu weit ausgereizt werden. Der BGH hat bewusst offengelassen, ob die Unzulässigkeit des rückwirkenden befristeten Anerkenntnisses auch für die Fälle gilt, in denen der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistungen erst nach Ende der Berufsunfähigkeit beantragt, um die Leistungspflicht des Versicherers durch eigenes Verhalten zu verlängern.

Versicherer sollten zur künftigen Vermeidung von Risiken bei einem rückwirkenden Anerkenntnis das nur für einen gewissen Zeitraum gelten soll, der (unbefristeten) Anerkenntniserklärung gem. § 173 Abs. 1 VVG eine Änderungsmitteilung beifügen.

Kim Syben

BGH: Bei der Bestimmung des Zeitpunktes des Eintritts der Berufsunfähigkeit ist durch Auslegung der Vertragsklauseln im Einzelfall zwischen einer rückschauenden Bewertung und einer Prognose zu unterscheiden

BGH, Urteil vom 14. Juli 2021 – IV ZR 153/20 = VersR 2021, 1158

Der IV. Zivilsenat beschäftigte sich in seinem Urteil vom 14. Juli 2021 einmal mehr mit der Frage der Auslegung von AVB bei Berufsunfähigkeitsversicherungen (BUV). Er verdeutlichte, dass bei der Bestimmung des Zeitpunktes des Eintritts der Berufsunfähigkeit im Einzelfall anhand der Klauselformulierung zwischen einer Prognose und einer rückblickenden Bewertung zu unterscheiden sei.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei welchem der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Nachversicherungsgarantie im Oktober 2016 eine Erhöhung des Versicherungsschutzes um 100 % beantragte, welche im November desselben Jahres in den Vertrag aufgenommen wurde. Bereits im Juli 2016 unterlag der Versicherungsnehmer einem Arbeitsunfall. Diesen meldete er seiner Versicherung jedoch erst nach der Erhöhung der Versicherungssumme im Dezember 2016. Der Versicherer weigerte sich die erhöhte Versicherungssumme zu zahlen und verwies auf die Zahlung der ursprünglichen Leistungsvereinbarung ab dem Zeitpunkt des Arbeitsunfalles, also vor der Nachversicherung. Der Auffassung des Versicherers schloss sich auch das Berufungsgericht (LG Berlin, Urteil vom 04.06.2019 – 7 O 177/18) an.

Dem Sachverhalt lagen folgende streitgegenständliche AVB zugrunde:

«1.2 Wann liegt vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen vor?

1.2.1 Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit … 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf … auszuüben. …

2.4 Ab wann werden Leistungen gewährt?

2.4.1 Der Anspruch auf Leistungen entsteht mit Beginn des Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit (= Beginn des sechsmonatigen Zeitraums gemäß Abschnitt 1.2.1) …»

Das Berufungsgericht verwies darauf, dass durch die beiden Alternativen in der Klausel 1.2.1 der AVB zum einen eine sechsmonatige Prognose und zum anderen auch eine rückblickende Bewertung nach Ablauf dieser Karenzzeit angedeutet würden. Dennoch würden beide Beurteilungsalternativen hinsichtlich des Entstehens eines Leistungsanspruchs auf den Beginn des Sechsmonatszeitpunktes abstellen, im zu entscheidenden Fall also auf den Arbeitsunfall.

Der BGH setzte hier hingegen unter Anwendung der in seiner ständigen Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze von AVB (vgl. BGH, Urteil vom 01.04.2015 – IV ZR 104/13 = VersR 2015, 617; BGH, Urteil vom 04.11.2020 – IV ZR 19/19 = VersR 2021, 21) eine andere Betrachtungsweise an und hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach Ansicht des BGH sei nicht bei beiden Alternativen auf den Beginn des Sechsmonatszeitraums abzustellen. Vielmehr sei eine Differenzierung zwischen der ersten und zweiten Alternative des 1.2.1 AVB vorzunehmen, wie sich aus der Formulierung der Klausel („oder“) ergebe.

Die erste Alternative „außerstande war“ sei im Imperfekt geschrieben und vermittle somit eine rückblickende Betrachtung. Folglich sei auch erst nach Ablauf der sechs Monate eine Beurteilung möglich. Kombiniert mit den einleitenden Worten des 1.2.1 AVB „Vollständige Berufsunfähigkeit“ habe ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer darauf zu schließen, dass auch erst nach diesem Zeitraum der Versicherungsfall vorliegen könne. Alternative zwei hingegen sei im Präsens geschrieben und beschreibe eine Prognose („voraussichtlich“). Damit müsse bei dieser Alternative an den Beginn dieses Zeitraums angeknüpft werden.

Zur Untermauerung seiner Argumentation zieht der BGH eine Parallele zu vorangegangenen Urteilen vergleichbarer Fälle. Im Unterschied zum hier betrachteten Sachverhalt seien in diesen insbesondere die Formulierung „von Beginn an“ (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2019 – IV ZR 65/19 = VersR 2020, 276) zu finden. Aufgrund des Fehlens einer vergleichbaren Klarstellung in den AVB, schlussfolgert der BGH, es lägen keine Anhaltspunkte für den Versicherungsnehmer vor, dass auch bei der ersten Alternative des 1.2.1 AVB eine Berufsunfähigkeit zu Beginn des Sechsmonatszeitraum gegeben sei (so auch BGH, Urteil vom 21.03.1990 – IV ZR 39/89 = BGHZ 111, 44; OLG Celle, Urteil vom 4.05.2005 – 8 U 181/04 = r+s 2006, 162). Dem entspricht auch die Literatur im Weitesten (vgl. Dörner in MüKo-VVG, 2. Aufl., § 172 Rn. 131; Lücke in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., § 2 BU Rn. 98 f).

Auch in Anbetracht der Regelung 2.4.1 AVB dürfe der Versicherungsnehmer keine anderen Schlüsse ziehen. Aus der dazugehörigen Überschrift „Ab wann werden Leistungen gewährt?“ (2.4 AVB), der Unterüberschrift „Karenzzeit“ und dem Wortlaut des 2.4.2 AVB („Leistung entsteht mit Beginn des Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit“) sei eben nicht zu entnehmen, dass der Leistungsanspruch bei beiden Alternativen des 1.2.1 AVB schon mit Beginn des Zeitraumes eintrete. Vielmehr sei eindeutig, dass 2.4.1 AVB nur den Leistungszeitpunkt bezeichne (so auch Ernst in HK-BU, § 2 BUV Rn. 361). Kritik, dass eine solche Auslegung die Tür zu Manipulationsmöglichkeiten im Rahmen der Nachversicherungsoption öffne, weist der Senat hier mit dem Hinweis ab, es liege in der Vertragsfreiheit des Versicherers, entsprechende Klauseln als Vorkehrung einzubringen (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2019 – IV ZR 65/19 = VersR 2020, 276 Rn. 13).

Dennoch zeigt gerade die abweichende Beurteilung der Vorinstanzen, dass die vom BGH vorgenommene Auslegung nicht zwingend ist und ein Versicherungsnehmer bei seinen Überlegungen zum Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit sehr wohl zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Insbesondere ist das im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Leistungszeitpunkt (hier in 2.4.1 AVB) und Beginn der Berufsunfähigkeit (hier in 1.2.1 AVB) naheliegend, was zunächst einmal als Grundverständnis für eine Differenzierung von Leistungszeitpunkt und Eintritt des Versicherungsfalls angesehen werden kann.

Nichtsdestotrotz ist anzumerken, dass der BGH seiner ständigen Rechtsprechung treu geblieben ist und gerade der Vergleich zu Klauseln, die explizit auf den Beginn der Karenzzeit abstellen (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2019 – IV ZR 65/19 Rn. 4 = VersR 2020, 276), verständlich und konsequent ist. Hinsichtlich der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist die Entscheidung also zu begrüßen.

Luca Kupies

BGH: Bei einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ist für das vollständige Vorliegen der Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. nicht erforderlich, dass der Versicherer die auf die Zusatzversicherung entfallende Prämie einzeln ausweist.

BGH, Urteil vom 24. Juni 2020 – IV ZR 275/19

In seinem Urteil vom 24. Juni 2020 (IV ZR 275/19) befasste sich der 4. Zivilsenat des BGH mit den Erfordernissen für das vollständige Vorliegen der Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. Hierbei war fraglich, ob der Versicherer verpflichtet ist, die Prämien einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einzeln auszuweisen.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt begehrte der VN vom Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeträge und Herausgabe von Nutzungen aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Vertrag wurde mit Versicherungsbeginn zum 01. Juni 2002 und einer Laufzeit von zwölf Jahren nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG a.F. abgeschlossen. Nach Versicherungsende im Jahr 2014 erklärte der VN mit Schreiben vom 22. Oktober 2015 den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. Er war der Ansicht, er sei zu diesem Zeitpunkt noch zum Widerruf berechtigt gewesen, da die Widerspruchsbelehrung unzureichend und die ihm überlassenen Verbraucherinformationen unvollständig gewesen seien. Dies wurde mit der fehlenden Einzelausweisung der Zusatzversicherung begründet.

Wie die Vorinstanz (OLG Köln) entschied der BGH, dass bei einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung keine Verpflichtung zum gesonderten Prämienausweis bestehe und die allgemeine Widerspruchsfrist von 14 Tagen gem. § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht gewahrt wurde. Zwar fordere Abschnitt I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage D einen Einzelausweis der Prämien, wenn das „Versicherungsverhältnis mehrere selbständige Versicherungsverträge umfassen soll“. Allerdings wurde diese Voraussetzung mit der Begründung verneint, dass die Versicherer erst in den 1970er Jahren dazu übergegangen seien, eine ausdrücklich als „selbständig“ bezeichnete Versicherung gegen Berufsunfähigkeit anzubieten. Zuvor habe nur die Möglichkeit bestanden, derartigen Versicherungsschutz gemeinsam mit dem Abschluss einer Lebensversicherung zu erlangen (vgl. BGH VersR 2010, 375), weshalb sich die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gerade dadurch auszeichne, mit der Lebensversicherung eine Einheit zu bilden (BGH VersR 2001, 752). Dafür spreche ebenfalls, dass seither zwischen einer selbständigen Berufsunfähigkeitsversicherung und einer unselbständigen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung unterschieden werde. Die herrschende Auffassung geht demnach davon aus, dass die Voraussetzungen zweier selbständiger Versicherungsverträge bei einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitsversicherung nicht erfüllt seien (OLG Frankfurt, Beschluss v. 07.10.2019 – 3 U 128/19, juris; OLG Köln, Urt. v. 27.09.2019 – 20 U 129/18, juris; Rudy in Prölss/Martin, VVG 31. Auflage 2021, § 1 VVG-InfoV Rn. 9; Baroch-Castellvi in HK-VVG, 4. Auflage 2020, § 1 VVG-InfoV Rn. 19). Das zeige auch ein Vergleich des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 4. März 1994 (BT-Drucks. 12/6959 S. 33) mit dem ihm vorausgegangen Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen. Der Referentenentwurf sah dabei ausdrücklich vor, dass über „die Prämien für eingeschlossene Zusatzversicherungen“ zu informieren ist (§ 10a Abs. 1 Nr. 6 VAG-RefE). Diese Regelung wurde aber nicht in die endgültige Fassung des VAG übernommen, was den gesetzgeberischen Willen zeige, Versicherungen mit eingeschlossenen Zusatzversicherungen von der Pflicht zum Einzelausweis der Prämien in der Verbraucherinformation ausnehmen zu wollen.

Ferner sei nicht entscheidungserheblich, ob der Entschluss des Gesetzgebers, in Abschnitt I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage Teil D zum VAG a.F. von einer Pflicht zum Einzelausweis bei einer Lebens- und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abzusehen und gem. § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. einen von dieser Prämienaufschlüsselung unabhängigen Beginn der Widerspruchsfrist zu bestimmen, im Einklang mit Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 steht. Dies begründete der Senat damit, dass § 10a VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage Teil D einer von seinem eindeutigen Regelungsgehalt abweichenden richtlinienkonformen Auslegung nicht zugänglich sei (vgl. BGHZ 215, 126). Zwar bestehe grundsätzlich die Verpflichtung, innerstaatliches Recht so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen, um das in ihr festgelegte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH GRUR 2016, 1307). Die Verpflichtung des nationalen Richters finde ihre Grenzen allerdings in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und dürfe nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (EuGH ZIP 2019, 1802; NZA 2012, 139). Im vorliegenden Fall spreche der Wortlaut des Abschnitts I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. eindeutig für die gesetzgeberische Intention der Ausnahme von der Pflicht zum Einzelausweis. Auch die bewusste Entscheidung, die ursprünglich vorgesehene Informationspflicht nicht in das VAG zu übernehmen, spreche dafür, dass die Regelung nicht planwidrig unvollständig sei. Der damit zum Ausdruck gebrachte eindeutige Wille des Gesetzgebers sei demnach bindend und dürfe nicht im Wege richtlinienkonformer Auslegung oder Rechtsfortbildung geändert werden (vgl. BGHZ 215, 126).

Es komme letztlich auch nicht darauf an, ob das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien unvereinbar ist. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftswidrigkeit des Policenmodells sei es dem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten Kläger nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach zwölf Jahre langer Vertragslaufzeit auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche abzuleiten. Die jahrelangen Prämienzahlungen hätten für den Kläger erkennbar bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet (zu den Maßstäben BGH VersR 2014, 1065).

Durch die Ablehnung einer gesonderten Prämienausweispflicht nach § 10a VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 3 Buchst. e) Teil D folgt der BGH der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, welche annimmt, dass eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die Voraussetzungen zweier selbständiger Versicherungsverträge nicht erfüllt. Dies ist mit Blick auf die Vertragspraxis der Versicherer und die historische Entwicklung der Berufsunfähigkeitsversicherung begrüßenswert. 

Des Weiteren bleibt der Senat seinen Maßstäben zu den Grenzen richtlinienkonformer Auslegung nationalen Rechts treu. Die Ablehnung einer solchen Auslegung oder Rechtsfortbildung des § 10a VAG a.F. erscheint vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts geboten, um das Regelungsziel des Gesetzgebers nicht zu verfehlen.

Lennart Struß