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Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung – BGH urteilt zum „unabhängigen Treuhänder“

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BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17

Nach § 203 Abs. 2 VVG ist der Versicherer einer privaten Krankenversicherung bei gesetzlichem oder vertraglichem Ausschluss seines ordentlichen Kündigungsrecht dazu berechtigt, die Prämie neu festzusetzen, wenn sich die für die Prämienkalkulation maßgebliche Rechnungsgrundlage nicht nur vorübergehend ändert. Die Prämienanpassung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Überprüfung durch einen unabhängigen Treuhänder. Ob sich aus Umständen wie dem Umfang der bezogenen Vergütung, einer Beauftragung von mehr als 15 Jahren oder der Zahlung eines „Ruhegehalts“ an den Treuhänder eine fehlende Unabhängigkeit und demzufolge die Unwirksamkeit der Prämienanpassung ergeben kann, war seit einiger Zeit eine präsente Frage im versicherungsrechtlichen Diskurs (s. zu den vertretenen Ansichten Wendt VersR 2018, 449, 450).

Mit Urteil vom 19. Dezember 2018 (Az. IV ZR 255/17) hat der BGH seinen Standpunkt zu diesem Rechtsproblem festgelegt. Nach dieser Entscheidung ist die Unabhängigkeit des Treuhänders als formelle Wirksamkeitsvoraussetzung der Prämienanpassung durch die Zivilgerichte nicht zu prüfen. Es falle allein in die Kompetenz der Aufsichtsbehörden sicherzustellen, dass Versicherungsunternehmen zur Prüfung ihrer Prämienkalkulation einen unabhängigen Treuhänder einsetzen. Da überdies eine umfassende materielle Überprüfung der Prämienanpassung anhand der gem. § 203 Abs. 5 VVG zu übermittelnden Gründe vor den Zivilgerichten stattfinde, seien Versicherungsnehmer vor unberechtigten Prämienerhöhungen hinreichend geschützt. Damit urteilte der BGH in Linie mit einer Entscheidung des OLG Celle vom 20. August 2018 (Az. 8 U 57/18, VersR 2018, 1179) und entgegen der dem BGH-Fall zugrundeliegenden Vorinstanz (LG Potsdam, Az. 6 S 80/16, VersR 2018, 471).

Der Entscheidungsvolltext ist bislang noch nicht veröffentlicht; in der Pressemitteilung des BGH (Nr. 194/2018) wird jedoch bereits als knappe Begründung der Zweck der Prämienanpassung angeführt. Bei gesetzlichem oder vertraglichem Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Versicherers müsse die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen sichergestellt werden. Eine Unwirksamkeitserklärung von Prämienanpassungen nur aufgrund eines formellen Fehlers gefährde diesen Zweck auf Dauer. Außerdem könne Ergebnis der gem. § 155 Abs. 3 VAG (§ 12b Abs. 2, 2a VAG a.F.) jährlich verpflichtenden Prämienüberprüfung eine umso höhere Anpassung sein, wenn die vorherige unwirksame Prämienanpassung nachgeholt werde.

Wenn also der zu erwartende Tenor der Entscheidung zunächst für Versicherungsnehmer nachteilig klingen mag, wird, wie die Begründung zeigt, im Ergebnis der Schutz von Versicherungsnehmern erreicht.

Nachträgliche Anmerkung: Der Volltext der Entscheidung ist seit dem 04. Februar 2019 auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs veröffentlicht.

Natalie Post

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