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Lebensversicherung – Zum Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers

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BGH, Urteil vom 02.12.2015 – IV ZR 28/15 = BeckRS 2015, 20552

In seinem Urteil vom 2. Dezember 2015 (Az. IV ZR 28/15 = BeckRS 2015, 20552) hat der BGH sich zu der noch nicht abschließend geklärten Frage geäußert, inwieweit der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung zur Geltendmachung seiner vertraglichen Ansprüche einen Auskunftsanspruch haben kann (zu dieser Problematik Langheid, in: Bach/Langheid, VVG, 4. Auflage, 2014, § 153 Rn. 56 f. m.w.N.).

Der Kläger war als Versicherungsnehmer mit der Beklagten durch einen kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag verbunden. Nach Ende des Vertrages ermittelte die Beklagte unter anderem Schlusszahlungen aus Bewertungsreserven in Höhe von 6.547,00 Euro. Da der Kläger Zweifel an der Richtigkeit des ermittelten Betrages hatte, forderte er die Beklagte auf, ihm den zur Ermittlung dieses Betrages verwendeten Rechenweg darzulegen. Nachdem die Beklagte dem Kläger lediglich die allgemeinen Grundsätze zur Berechnung der Bewertungsreserven erläutert hatte, erhob der Kläger eine Stufenklage, mit der er auf der ersten Stufe Auskunft über die mathematische Berechnung des auf seinen Vertrag entfallenden Betrages und auf der dritten Stufe die Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages begehrte.

Ob der vom Kläger geltend gemachte Auskunftsanspruch tatsächlich besteht, hat der BGH nicht abschließend entschieden. Allerdings hält der BGH einen solchen Auskunftsanspruch auch nicht per se für ausgeschlossen. Zur Begründung führt der BGH aus, dass dem Versicherungsnehmer nach § 153 Abs. 1, Abs. 3 VVG ein vom Versicherer zu ermittelnder Überschussbeteiligungsanspruch zustehen könne. Erachte der Versicherungsnehmer die ihm bei Vertragsende ausgezahlte Bewertungsreserve für zu gering, sei er jedoch insoweit darlegungs- und beweisbelastet. Um dieser Darlegungs- und Beweislast nachkommen zu können, sei der Versicherungsnehmer wiederum unter Umständen berechtigt, nach § 242 BGB von dem Versicherer Auskunft zu verlangen.

Allerdings sei der Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers in mehrfacher Hinsicht begrenzt. So bestehe angesichts des schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses des Versicherers grundsätzlich kein Anspruch auf Vorlage oder Einsicht der fiktiven versicherungstechnischen Bilanzen oder anderer Geschäftsunterlagen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die nach § 242 BGB begründete Auskunftspflicht des Versicherers im Ergebnis nicht auf eine von ihm nicht geschuldete Rechnungslegung nach § 259 Abs. 1 BGB hinauslaufen dürfe. Darüber hinaus sei ein Auskunftsanspruch zu verneinen, wenn der mit Hilfe der Auskunft durchzusetzende Zahlungsanspruch, ersichtlich von vorneherein nicht bestehe.

Diese – insbesondere im Zusammenhang mit der Berechnung des Rückkaufwerts – vom BGH aufgestellten Beschränkungen seien indes in Bezug auf die vom Kläger begehrte Auskunft nicht zwingend einschlägig. So sei etwa nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass dem Kläger tatsächlich noch ein weiterer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von mehreren Tausend Euro zustehe. Auch sei der Kläger nicht ohne Weiteres in der Lage, die Höhe seines Überschussbeteiligungsanspruches mit Hilfe des Mustergeschäftsplans gemäß dem Rundschreiben der BaFin 10/2008 (VA) zu berechnen. Denn das im Mustergeschäftsplan enthaltene und von zahlreichen Parametern geprägte Berechnungssystem sei für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu komplex. Insbesondere sei der Versicherungsnehmer mangels Kenntnis der für seinen Vertrag maßgeblichen Paramater zur selbstständigen Berechnung der Bewertungsreserve nicht in der Lage.

Insgesamt bringt die Entscheidung eine Stärkung des Informationsinteresses des Versicherungsnehmers mit sich. So kann dem Informationsinteresse nach Auffassung des BGH durchaus Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des Lebensversicherers gebühren. Allerdings hat der BGH nur wenige Ausführungen zur konkreten Reichweite des Auskunftsanspruchs getroffen und den Fall zur erneuten Prüfung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es bleibt abzuwarten, ob die künftige – auch instanzgerichtliche – Rechtsprechung insoweit mehr Rechtssicherheit schaffen wird.

Dr. Boris Derkum

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