Rechtsanwaltsvergütungsregeln für Vermittlungsverfahren sind restriktiv zu verstehen

BGH, Beschluss vom 15.12.2010 – IV ZR 96/10 = BeckRS 2011, 03090

Neben den Schieds- und Schlichtungsstellen, die anstelle eines staatlichen Gerichts entscheiden, existiert eine Vielzahl von vergleichbaren unabhängigen Einrichtungen. Fraglich ist, welche Kosten von einer Rechtsschutzversicherung gedeckt sind, wenn eine derartige Einrichtung die Erhebung von Gebühren vorsieht.

Nach § 5 Abs. 1 d) ARB 2010 trägt der Rechtsschutzversicherer „die Gebühren eines Schieds- oder Schlichtungsverfahrens bis zur Höhe der Gebühren, die im Falle der Anrufung eines zuständigen staatlichen Gerichtes erster Instanz entstehen“. Aufgrund des Wortlauts gilt die Kostenübernahme für jegliche Schieds- und Schlichtungsverfahren (Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., ARB 2008/II, § 5 Rn. 31f.).

Die etwaig anfallenden gesonderten Kosten des für einen VN tätigen Anwalts werden jedoch nicht von § 5 Abs. 1 d) ARB 2010, sondern vielmehr von § 5 Abs. 1 a) ARB 2010 erfasst. Dabei nimmt letztere ausdrücklich auf das gesetzliche Gebührenrecht bezug („…bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung“). Zum weiten Verständnis der Klausel siehe Erstattungsfähigkeit der Selbstvertretung im Zivilverfahren, Ingo Weckmann).

Die für Güteverfahren anzuwendenden Rechtsanwaltsvergütungsregeln (§ 65 Abs. 1 Ziff. 4 BRAGO und RVG VV Nr. 2303 Nr. 4) sehen als Voraussetzung für das Entstehen einer Gebühr eine gesetzlich eingerichtete Einigungsstelle vor.

In einer aktuellen Entscheidung entwickelte der BGH (Beschluss v. 15. Dezember 2010 – IV ZR 96/10, BeckRS 2011, 03090) sein Verständnis hinsichtlich der betreffenden Vorschriften. Danach sind die Normen grundsätzlich restriktiv zu handhaben. Neben dem eindeutigen Wortlaut ergibt sich das einschränkende Verständnis insbesondere aus dem Willen des Gesetzgebers. Dieser sähe eine klare Begrenzung für die Anwendung der besonderen Gebühr im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens aufgrund des Interesses einer Vorhersehbarkeit der Gebührenlast vor. Eine Subsumtion von vertraglichen Regelungen oder der kirchenrechtlichen Rechtssetzungsbefugnis aus Art. 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 5 S. 1 WRV unter den Begriff der gesetzlichen eingerichteten Einigungsstelle sei mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes unvereinbar (BeckRS 2011, 03090 Rn. 11).

Dem BGH ist zuzustimmen. Obwohl der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in den verschiedenen Vermittlungsverfahren nicht unterschiedlich sein dürfte, schafft lediglich die strenge Anknüpfung an den Wortlaut einen angemessen Ausgleich der Interessen aller Beteiligten und führt somit zu Rechtssicherheit.

Ingo Weckmann, LL.M.

Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/113/EG ist mit Wirkung vom 21. Dezember 2012 ungültig

EuGH, Urteil vom 01.03.2011 – C-236/09

In der Rechtssache C-236/09 wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/113/EG, nach dem geschlechtsspezifische Unterschiede bei Versicherungsprämien und -leistungen zulässig sind, vereinbar mit Art. 6 Abs. 2 EU und insbesondere mit dem durch diese Bestimmung gewährleisteten Gleichheits- und Nichtdiskriminierungsgrundsatz sei.

Mit Urteil vom 01. März 2011 verneinte der EuGH die Vorlagefrage.

Die zu überprüfende Vorschrift sei mit Wirkung vom 21. Dezember 2012 ungültig, da sie der Verwirklichung des mit der Richtlinie 2004/113/EG verfolgten Ziels der Gleichbehandlung von Frauen und Männern entgegenstehe und mit den Art. 21 und 23 der Charta unvereinbar sei. In den Urteilsgründen betont der EuGH insbesondere die Bedeutung der Regelungen der EU-Charta als Grundprinzip der Europäischen Union. Den vom Rat vorgebrachten Einwand, dass die Norm lediglich die Option schaffen soll, unterschiedliche Sachverhalte ungleich zu behandeln, weist der EuGH zurück. Art. 5 Abs. 2 sei lediglich die Ausnahme der Grundregel, die von einer Vergleichbarkeit der Lage von Frauen und der Lage von Männern in Bezug auf die Prämien und Leistungen der von ihnen abgeschlossenen Versicherungen ausgehe.

Der EuGH folgte damit im Wesentlichen dem Schlussantrag der Generalanwältin vom 30. September 2010. Unterschiede bestehen allerdings in der Bemessung der Übergangsfrist. Hier orientiert sich der EuGH an der in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehenen Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Überprüfung ihrer Entscheidung.

Ingo Weckmann, LL.M.