Ein Anspruch auf Überschussbeteiligung in bestimmter Höhe besteht auch nicht im Bereich einer betrieblichen Altersversorgung

BGH, Urteil vom 24.03.2010 – IV ZR 160/08 = BeckRS 2010 09660

Mit Urteil vom 26.07.2005 – Az: 1 BvR 80/95 (BVerfG, VersR 2005, 1127) verpflichtete das Bundesverfassungsgericht  den Gesetzgeber, für die kapitalbildende Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung bei der Ermittlung des Schlussüberschusses eine angemessene Berücksichtigung der durch die Prämienzahlungen geschaffenen Vermögenswerte vorzusehen. Im Hinblick auf die Angemessenheit einer Berücksichtigung hob das Gericht jedoch den Vorrang der Interessen der Risikogemeinschaft vor Einzelinteressen von einzelnen Versicherten hervor (BVerfG, VersR 2005, 1134). Die Umsetzung des Gesetzgebers erfolgte im Zuge der VVG-Reform mit Schaffung des § 153 VVG. Als Folge der kollektiven Ausgleichsfunktion macht die Vorschrift aber neben der Beteiligung eines VN dem Grunde nach keine weiteren Vorgaben (Krause, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, § 153 Rn. 35 f.). Die Versicherten haben demnach mit Ausnahme der Regeln § 153 Abs. 2 bis Abs. 4 keinen Anspruch auf eine Überschussbeteiligung in konkreter Höhe.

Fraglich ist, ob bei einer betrieblichen Altersversorgung etwas anderes gilt. Dies kann der Fall sein, da im Bereich der Pflichtversicherung ganz überwiegend keine tatsächlichen, sondern rein fiktiv ermittelte Überschüsse zugrunde liegen.

In einer aktuellen Entscheidung verneinte der BGH (Urt. v. 24.03.2010 – IV ZR 160/08, 163/08, 165/08, 166/08, 206/08; BeckRS 2010 09660, 09661, 09662, 10471, 10472) diese Frage. Er betonte unter Verweisung auf die oben ausgeführte Rechtsprechung die unternehmerische Eigenverantwortung des Versicherers. Die Entscheidung über die Höhe der Zuteilung in den jeweiligen Geschäftsjahren müsse dem Versicherer überlassen bleiben. Die Besonderheiten bei der Ermittlung der Überschüsse in der Pflichtversicherung seien unerheblich, da auch ein Bonussystem in Form einer Gutschrift von Bonuspunkten auf Versorgungskonten von Versicherten letztlich eine tatsächliche künftige Leistungsverpflichtung des Versicherers auslöse (BeckRS 2010 09660, 09661, 09662, 10471, 10472 Rn. 20).

Dem BGH ist zuzustimmen. In seinem Urteil verfolgt er die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze konsequent weiter. Zudem dürfte es an einer Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung der vergleichbaren Sachverhalte fehlen.

Ingo Weckmann, LL.M.

Verjährung von Ansprüchen aus Altverträgen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss generell nach § 12 Abs. 1 VVG a.F.?

BGH, Beschluss vom 16.12.2009 – IV ZR 195/08 = VersR 2010, 373

Bis zur VVG-Reform fanden sich in der alten Fassung des Gesetzes Normen zur Verjährung von „Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag“, vgl. § 12 Abs. 1 VVG a.F. Da nunmehr § 15 VVG lediglich die Hemmung der Verjährung regelt, gelten nach der Streichung des § 12 Abs. 1 VVG a.F. die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB (Klenk, in: Looschelders/Pohlmann, VVG, § 15 Rn. 3). Für eine Verjährung von Ansprüchen aus sog. Altverträgen ist Art. 3 EGVVG maßgebend.

Welche Verjährungsregeln für Altverträge im Falle von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo anwendbar sind, war bis vor kurzem ungeklärt. Eine höchstrichterliche Entscheidung hatte es lediglich für die Erhebung von Schadensersatzansprüchen, die auf das positive Interesse gerichtet sind, gegeben. Danach sollen diese Ansprüche in entsprechender Anwendung von § 12 Abs. 1 VVG a.F. verjähren  (BGH, VersR 2004, 361).

Das OLG Celle (Urt. v. 08.09.2009 – 8 U 46/09, ZIP 2009, 1968-1973) sah vor dem Hintergrund, dass § 12 Abs. 1 VVG a.F. die zügige Schaffung von Rechtsklarheit bezwecke, keine innere Rechtfertigung dafür gegeben, bei Ansprüchen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss danach zu trennen, ob mit ihnen das positive oder das negative Interesse begehrt werde. Es gelte daher auch im Falle des negativen Interesse die fünfjährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VVG a. F. als Sonderregelung zu den §§ 195, 199 BGB.

Demgegenüber entschied nun der BGH mit Beschluss vom 16.12.2009 – AZ: IV ZR 195/08 (BGH, VersR 2010, 373), dass sehr wohl eine Trennung vorgenommen werden müsse,  ob das positive oder das negative Interesse begehrt werde. Nur im ersten Falle läge ein „Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen“ vor, der die Anwendung des § 12 Abs. 1 VVG a.F. rechtfertige. Die Vorschrift erfasse nach ihrem eindeutigen Wortlaut lediglich Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Ein Anspruch, der auf das negative Interesse gerichtet ist, sei gerade kein Anspruch, der wirtschaftlich an die Stelle des Erfüllungsanspruches trete. Der Anspruchsteller bezweckt nämlich, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er den Vertrag gar nicht abgeschlossen hätte.

Damit dürfte die Frage nach den Verjährungsregeln für Altverträge im Falle von Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo abschließend geklärt sein. Wird das positive Interesse mit dem Schadensersatzanspruch geltend gemacht, wird § 12 Abs. 1 VVG a.F. entsprechend angewendet, wird dagegen das negative Interesse geltend gemacht, gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB.

Ingo Weckmann, LL.M.

Nichtigkeit der Abtretung von Honorar- oder Provisionsansprüchen

BGH, Urteil vom 10.02.2010 – VIII ZR 53/09 = BB 2010, 582

In der Praxis ist die Abtretung eines Honorar- oder Provisionsanspruches durch einen selbständigen Versicherungsvertreter kein Einzelfall. Fraglich ist jedoch, ob dies im Fall der Vermittlung einer Personenversicherung wirksam ist.

Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Ein solches gesetzliches Verbot sieht die Verletzung von Privatgeheimnissen aus § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB vor. Da es sich bei diesem Straftatbestand um ein echtes Sonderdelikt handelt (Cierniak, in: MüKo StGB, Bd. 3, § 203 Rn. 28), ist für die Frage nach der Nichtigkeit einer Abtretung von Honorar- oder Provisionsansprüchen durch einen selbständigen Versicherungsvertreter von entscheidender Bedeutung, ob dieser tauglicher Täter sein kann.

In einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 10.02.2010 – VIII ZR 53/09, BB 2010, 582 (Leitsatz); Beck RS 2010, 04932) bezieht der BGH den selbständigen Versicherungsvertreter nicht nur in den Kreis der zur Geheimhaltung Verpflichteten mit ein, sondern legt darüber hinaus auch den Begriff des Geheimnisses weit aus. Danach betrifft die Pflicht zur Geheimhaltung bereits den Umstand, dass der Betroffene überhaupt eine private Personenversicherung abgeschlossen hat (BGH, BB 2010, 582 Leitsätze 1 und 2; Beck RS 2010, 04932 Rn. 13 ff., Rn. 17 ff.).

Folgerichtig ist die Abtretung nach dem BGH gem. § 134 BGB nichtig (BGH, BB 2010, 582 Leitsatz 3; Beck RS 2010, 04932 Rn. 11).

Ingo Weckmann, LL.M.

Anwendbarkeit des § 215 VVG im Jahr 2008

OLG Naumburg, Beschluss vom 15.10.2009 – 4 W 35/09 = VersR 2010, 374

§ 215 Abs. 1 VVG regelt einen besonderen Gerichtsstand für die örtliche Zuständigkeit von Versicherungssachen. Die Regelung ist exemplarisch für das Leitbild der VVG-Reform, den Verbraucherschutz, da der Gesetzgeber mit dieser Norm neben einer Vereinfachung der Klageerhebung durch den VN dessen Schutz vor einer auswärtigen gerichtlichen Inanspruchnahme verfolgt (Pohlmann/Wolf, in: Looschelders/Pohlmann, § 215, Rn. 1).

Ob § 215 VVG bereits ab dem 01.01.2008 auch auf Altverträge anzuwenden ist, ist umstritten. Zum Meinungsstand siehe: Looschelders, in: MüKo VVG, Bd. 1, Art. 1 EGVVG Rn. 8; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2009, Übergangsprobleme bei § 215 VVG“, Sylvia Wolf.

Nun ist eine weitere obergerichtliche Entscheidung ergangen, die sich gegen eine Anwendbarkeit ausspricht. Das OLG Naumburg (Beschluss v. 15.10.2009 – 4 W 35/09, VersR 2010, 374, 375) sah weder in dem Wortlaut noch in der Begründung des Art. 1 Abs. 1 EGVVG einen Anhaltspunkt dafür, dass die Vorschrift teleologisch auf das materielle Recht zu reduzieren sei.

Dem OLG Naumburg dürfte nicht zuzustimmen sein. Der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 EGVVG spricht von „Versicherungsverhältnissen“ und dürfte sich deshalb nur auf das materielle Recht beziehen. Des Weiteren kommt   Art. 1 Abs. 2 EGVVG bereits ebenfalls nach seinem Wortlaut („insoweit“) lediglich dann zur Anwendung, falls ein „Versicherungsfall“ eingetreten ist (Looschelders, in: MüKo VVG, Bd. 3, § 215, Rn. 38 ff.; Pohlmann/Wolf, in: Looschelders/Pohlmann, § 215, Rn. 11).

Somit dürfte § 215 VVG zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Gerichte ab dem 01.01.2008 für alle Verträge anzuwenden sein.

Ingo Weckmann, LL.M.